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15. März 2010, Norddeutsches Handwerk
Fachwerk für Kaliningrad
Die Fuhrberger Zimmerei hat sich auf die Kunst des Fachwerkbaus spezialisiert. Ihre Auftraggeber sind weit verstreut - und echte Liebhaber.

Das Werk des Gesellen mutet wie ein riesiges Zahlenpuzzle an: Geduldig hat er die nummerierten Balken auf dem Boden der Werkstatthalle zu einer kompletten Giebelwand zusammengezwungen, sie präzise ausgerichtet und Löcher für die Holznägel hineingebohrt. Sein Kollege schnitzt gerade den Namen des Bauherrn in einen Querbalken aus Eichenholz. Auf einem anderen steht „Anno 2010“.

„Wir bauen jetzt die guten Dinge von morgen“, sagt Christian Zeymer und streicht mit den Fingern über die eingekerbte Jahreszahl. Der 42-Jährige ist Geschäftsführer der Fuhrberger Zimmerei mit Sitz in Fuhrberg bei Celle. Das Handwerksunternehmen gründete er 1994 gemeinsam mit seinen beiden Kompagnons Frank Töllner und Horst Kuhlmann. Gleich im ersten Jahr bekamen die drei den Auftrag, in einem der Nachbarorte ein Fachwerkhaus zu bauen. Das Haus fiel auf, auch andere wollten so ein Heim haben. Dadurch, erzählt Zeymer, seien sie allmählich zu Spezialisten geworden.

Mittlerweile arbeitet die Zimmerei für Kunden aus ganz Deutschland, Fuhrberger Fachwerkhäuser sind an der Ostsee ebenso zu finden wie im Rheinland oder in Baden-Württemberg. „Die Kunden werden vor allem durch persönliche Empfehlungen und die Internetsuche auf uns aufmerksam“, erklärt Christian Zeymer. Wer die Internetseiten des Unternehmens aufruft, kann sich anhand der „Diashow“ ein erstes Bild machen und sich zum Beispiel überlegen, ob es ein Fachwerkhaus im eher sachlichen niedersächsischen Stil sein soll oder lieber der verspielte fränkische oder er wuchtigere und stärker in die Breite gezogene alemannische Stil.

Auf der Website sind neben den Neubauten auch Bilder von alten, historischen Fachwerkhäusern zu sehen, welche die Fuhrberger saniert oder abgetragen und an anderer Stelle wieder aufgebaut haben. Zeymer erzählt von einem Haus, von dem sie nur ein Foto und die alten, zum Teil völlig maroden Balken hatten. Den Rest mussten sie mühsam rekonstruieren.

Doch auch bei den Neubauten kommen auf Wunsch der Kunden historische Baumaterialien wie alte Eichenbalken, antike Dachpfannen – so genannte Handbagger – oder antike Backsteine zum Einsatz. Das Unternehmen bezieht sie von Baustoffhändlern, die sich darauf spezialisiert haben, alte Häuser abzureißen und alle wertvollen oder wieder verwertbaren Materialien zu bergen. Mit Lehmputz und Reetdächern kann die Zimmerei ebenfalls dienen.

„Jedes unserer Häuser ist ein Unikat mit einem eigenen Charakter“, betont Christian Zeymer beim Gang über das rund 7500 Quadratmeter große Firmengelände. Er deutet auf verschiedene Stapel mit Deckenbalken. Im CAD-Programm geplant, werden sie im Sägewerk auf einer CNC-Maschine nach den Maßvorgaben zugeschnitten und bereits mit den passgenauen Überblattungen und Schwalbenschwanzverbindungen in die Zimmerei geliefert. Hier bearbeiten die Mitarbeiter die scharfkantigen Balken weiter, etwa indem sie sie an den Kanten abflachen oder Rundungen hineinschleifen, als hätte man dort wie früher nur die Borke entfernt.

In Handarbeit geformte Balken, geschnitzte Verzierungen und Sprüche: Hier zeigen sich Zeymer zufolge das handwerkliche Können und die Liebe zum Detail. „Wir wollen unseren Stil in diese Richtung weiterentwickeln, denn unsere Arbeit lebt ja davon, dass man sieht, da wurde Zeit investiert, da hat sich jemand damit beschäftigt“, sagt der Bauingenieur und gelernte Zimmermann.

Zwischen 15 und 20 Häuser pro Jahr baut das Unternehmen nach eigenen Angaben, etwa die Hälfte davon wird schlüsselfertig übergeben, der Rest reiht vom bloßen Holzgerüst über verschiedene Ausbaustufen. Rund 30 Mitarbeiter sind derzeit bei der Fuhrberger Zimmerei beschäftigt. Die Zimmerleute kommen viel herum, bei weiter entfernten Baustellen sind sie im Schnitt für zwei Wochen vor Ort auf Montage. Für die anderen Gewerke nimmt die Zimmerei dann Subunternehmer unter Vertrag.

Zur Zeit planen die Niedersachsen gerade ein Fachwerkhaus für einen Interessenten in Österreich, und über die Website ist kürzlich sogar ein Bauleiter aus Kaliningrad, dem ehemaligen Königsberg, auf die Firma aufmerksam geworden. Wenn alles klappt, fliegen die Mitarbeiter demnächst nach Russland, und ein Spediteur bringt das nötige Material dorthin - wie immer eine Menge Holz. Die Möglichkeiten sind grenzenlos, die Wünsche vielfältig und mitunter sehr speziell, sagt Zeymer und verweist auf ein fertig gezimmertes Toilettenhäuschen aus Fachwerk, das ein Kunden unbedingt in seinen Garten stellen will. Es sieht aus wie die Toilettenhäuschen in den alten Filmen, mit Satteldach und ausgeschnittenem Herzen in der Tür. Für echte Liebhaber eben.

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Stabil und individuell: Zunächst fügen die Mitarbeiter das Balkengerüst wie ein Puzzle zusammen.
Für Liebhaber: Die Fuhrberger Zimmerei ist Spezialist für verschiedene Stile im Fachwerkbau.
Deutschlandweit erfolgreich: Horst Kuhlmann (l.), Frank Töllner (Mitte) und Christian Zeymer führen den Betrieb mit 30 Mitarbeitern.